iPhone 4S statt iPhone 5 – Kluger Schachzug oder geht eine Ära zu Ende?

Apple hat ein neues iPhone präsentiert. Keiner, ausser Apple selbst, wusste, ob es sich um das iPhone 5 mit frischem Formfaktor oder nur um ein verbessertes iPhone 4S handelt. Jetzt ist klar: Es kommt – erstmal – kein iPhone 5 auf den Markt, sondern nur das innerlich frisch aufpolierte iPhone 4S.

Ernüchternd ist das Ergebnis irgendwie schon. Wir haben auf das phänomenale Wunder-Smartphone gewartet und jetzt „schenkt“ uns Apple ein S, fraglich bleibt jedoch, ob wir dieses S überhaupt brauchen und geschenkt wird uns dieser Buchstabe so nun leider auch nicht. Das iPhone 4S, diesmal von Anfang an in Schwarz und Weiß zu haben, kommt in drei Speichergrößen auf den Markt: 16 Gigabyte (199 US-Dollar), 32 GB (299 Dollar), 64 GB (399 Dollar) jeweils mit Vertrag in den USA. In Deutschland starten die Preise für das iPhone 4S bei 629 Euro ohne Vertrag. Das Vorgängermodell iPhone 4 bietet Apple in Schwarz oder inzwischen auch in Weiß mit acht Gigabyte Speicher und ohne SIM-Lock für 519 Euro an, das entsperrte 3GS mit acht Gigabyte ist für 369 Euro zu haben. Günstig ist nun wirklich etwas anderes.

S, 3GS, 4S … Was bedeutet eigentlich dieses S im iPhone 4S? Nun ganz einfach, dachte sich zumindest Apple. Wie bereits beim 3G bedeutet dieser S-Zusatz des iPhone 4S zusätzliche Geschwindigkeit für das Smartphone, also nichts anderes als iPhone 4Speed. Im Inneren des neuen iPhones arbeitet nun ein A5-Prozessor mit zwei Rechenkernen, die vermutlich wie beim iPad 2 jeweils mit 1,2 Gigahertz takten. Auch an der Grafikleistung hat Apple geschraubt und attestiert dank Dual-Core-GPU eine bis zu siebenmal schnellere Geschwindigkeit, wenigstens das ist nützlich. Neben der Akkuleistung hat Apple beim iPhone 4S die Bandbreite optimiert: HSDPA+ ermöglicht nun einen Downstream von bis zu 14,4 Megabit pro Sekunde – zumindest theoretisch, die Praxis wird dann wieder anders aussehen. Zudem unterstützt das neue Modell sowohl CDMA als auch das UMTS-Netz und ist so weltweit einsetzbar.

So weit, so gut. Oder doch nicht gut? Die Börse reagierte jedenfalls entsprechend enttäuscht, genau wie die meisten Kunden. Zu Beginn der Tim Cook-Show stand die Apple-Aktie noch bei 380 Dollar, danach setzte eine stete Talfahrt ein. Als der „persönliche Assistent“ Siri demonstriert wurde, der gesprochene Befehle wie „Wecke mich um 6 Uhr“ versteht, zuckte der Börsenkurs der Aktie nochmal kurz nach oben, das sollte jedoch das letzte Mal an diesem Tag sein. Das Fehlen eines iPhone 5 war einfach zuviel. Die Aktie rutschte an die Marke von 360 Dollar, binnen Stunden gingen Milliarden an Börsenwert flöten. Das ist richtig bitter für alle Beteiligten.

Auch die Konkurrenz schläft nicht. Vorallem Googles Produkt „Android“ prescht hervor. Getragen von Telefonen verschiedener Hersteller schoss es innerhalb von nur gut einem Jahr an die Spitze der Smartphone-Industrie. Allerdings landet bei Apple dank der cleveren Geschäftspolitik immer noch der Großteil der Branchengewinne… noch.

Der Konzern stellt anscheinend erstmals die Strategie um und setzt lieber auf ein verbessertes Erlebnis mit dem iPhone statt auf neue coole Hardware. So gewinnt der iPhone-Nutzer einen neuen Freund. Siri ist sein Name und begleitet uns als allzeit bereiter, intelligenter Assistent, der menschliche Sprache versteht und das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine verändern soll. Zudem kann der Dienst in vielen Situationen Google ersetzen. Der Online-Speicherdienst iCloud soll das manuelle Synchronisieren von Daten vergessen lassen. Apple integriert Twitter und eine Funktion, mit der man den Aufenthaltsort seiner Freunde sehen kann, Facebookfunktionen werden somit ebenfalls aufgegriffen.

Aber auch wenn die Aktien rasant nach unten schnellen und Apple sich nicht unbedingt Freunde mit diesem Schachzug gemacht haben, untergehen wird die Ära Apple erstmal nicht. Viel zu stark ist ihre Symbolkraft, niemand reißt sich so einfach von 18 Milliarden heruntergeladenen Apps los. Und wer weiß, vielleicht möchte Apple uns ja eben nur hinhalten und den perfekten Schachzug zu Ende führen. Endgültig werden wir nie Klarheit bekommen, aber endlich ist die lang erwartete Präsentation passé.

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