Verdammnis – Lisbeth ist zurück!

Die Verfilmung eines Bestsellers ist bekanntlich immer so eine Sache. Im vorliegenden Fall muss man sich zudem noch an drei Bücher setzen und versuchen, in möglichst kurzer Zeit, dem Publikum einen Einblick in die Gehirne der Menschen zu geben. Denn jeder hat beim Lesen seine eigene Vorstellung, wie etwas aussieht oder passiert. Einzig die Grundgedanken und Ansätze oder Richtungen sind vorgegeben. Stieg Larsson hat uns mit drei Büchern – ein viertes Skript liegt noch in irgendeinem Safe – gesegnet, in welchen er uns ein Mädchen Namens Lisbeth vorstellt, das in jungen Jahren aus Rache zur „Beinahemörderin“ wurde. Versuchter Totschlag nennt man das, glaube ich, wenn man Glück hat. Daraufhin wurde sie in eine Anstalt gesperrt und einer Therapie unterzogen. Nach der Entlassung und dem Tod der Mutter übergab man sie in die Hände eines Vormunds, der irgendwann allerdings „in Rente“ gehen musste. Ein neuer kam kurz darauf und verlangte von ihr Gegenleistungen für seine „Obhut“, auf die ich hier besser nicht genauer eingehe. Sie beschloss also, den Spieß umzudrehen und nahm besagte „Gegenleistung“ als Video auf, tätowierte dem Vormund eine aussagekräftige Botschaft auf Bauch und Brust und verschwand. Nun ist Lisbeth wieder da und gerät ganz unversehens in den Verdacht ein paar Morde begangen zu haben. Einzig Mikael, ein Journalist, glaubt an ihre Unschuld, doch diese zu beweisen, dürfte sich als äußerst schwierig erweisen, denn gibt es nebenbei noch das Problem mit dem Namen „Vergangenheit“ – zumindest für Lisbeth …

Eine unbedachte Tat, die sich rächen wird. Lisbeth hinterlässt Spuren. - © Yellow Bird Pictures

Verdammnis setzt die in Verblendung eingeführte Geschichte um Lisbeth Salander mit einem Jahr Zwischenlauf fort. Jedoch, um es gleich vorweg zu nehmen, ist der gesamten Geschichte unheimlich schwer zu folgen. Das mag am Drehbuch, am neuen Regisseur oder vielleicht auch an beidem liegen. Fakt ist, nach der Einleitung geht alles Schlag auf Schlag. Es wird massenhaft mit Namen hantiert, während immer mehr Leute neu eingeführt und neue Handlungsstränge geflochten werden. Dadurch verpufft leider ein wenig das Mysterium um den stillen großen blonden Hünen, der allerdings eine tragende Rolle spielen sollte. Die Struktur, wie sie noch im ersten Teil gegeben war (Opfer, Ermittler, Verdächtigenkreis = selbst rätseln), wird in Verdammnis nicht deutlich. Grenzen verwischen und die Interaktion zwischen den Figuren wird teilweise nur oberflächlich angekratzt. Dabei hätte es, wenn man sich intensiver an die Literaturvorlage gehalten hätte, so spannend sein können. Aber für Spannung fehlt dem Zuschauer leider die Zeit. Zuviel muss man darüber nachgrübeln, wer jetzt nochmal wer war und gleichzeitig zuordnen, wer jetzt böse sein könnte und wer nicht. Erst gegen Ende wird für ein wenig mehr Klärung gesorgt. Klärung über Zusammenhänge unter den Personen und in der Geschichte – sofern man nicht schon einiges wieder vergessen hat.

Rein von der Inszenierung und bildlichen Gestaltung gibt es nichts zu bemängeln. Sogar die Sexszenen sind gut bis äußerst realistisch dargestellt. Und das wird es wohl auch sein, was beim breiten Publikum für Begeisterung sorgen wird. Noomi Rapace liefert eine weitere schauspielerisch höchst wertvolle Darbietung ihrer Rolle als Lisbeth und wird dadurch auch weiter als neue Ikone der Lesbenwelt in die Höhe gehoben werden. So leid es mir tut, aber die Gute wird Lisbeth damit wohl nicht mehr losbekommen. Dafür ist sie zu stereotypisch geworden.

Mikael ist der Einzige, der an Lisbeths Unschuld glaubt. - © Yellow Bird Pictures

Auch Michael Nyqvist liefert seine Rolle des Enthüllungsjournalisten ähnlich wie im ersten Teil solide und glaubwürdig ab. Die Nebenrollen sind wirklich nur Nebenrollen. Ich meine mich zu erinnern, dass niemand mehr als zwei bis drei größere Szenen gespielt hat. Womit wir wieder beim rasenden Durchmarsch wären und damit auch den Kreis wieder schließen könnten. Bleibt eigentlich nur noch zu fragen, ob der dritte Teil (Vergebung ab 3. Juni 2010) Licht ins Dunkel bringen wird, gesetzt den Fall, man kann sich dann noch an das Dunkel erinnern.

Fazit: Jeder, der Verblendung gesehen hat, muss in diesen Film. Allein wegen der herausragenden Leistung einer Noomi Rapace (Daher gibt es auch 5 Sterne.) ist Verdammnis ein Muss und nicht nur für Genreliebhaber. Ob man der Geschichte detailliert folgen kann, hängt wiederum vom Auge des Betrachters ab. Spannung wie im ersten Teil gibt es jedoch nicht.