Hört man sich Michael Boltons grandioses neues Album One World One Love (29.01.) an, fällt es schwer zu glauben, dass es sich dabei bereits um sein 18. Studioalbum handeln bzw. dass diesem Meilenstein eine derart erfolgreiche Karriere vorausgegangen sein soll. Gewiss erreichen nur wenige Künstler diese Art von musikalischer Volljährigkeit: 18 Alben. Und diejenigen, die doch an diesen Punkt gelangen – besonders jene, die schon 53 Millionen Platten verkauft, diverse Grammys eingesammelt und ihren Stern am Walk of Fame bekommen haben – arbeiten in der Regel schon seit Jahren nach der gleichen Formel, die sie immer und immer wieder ausschlachten. Was für Michael Bolton jedoch niemals in Frage käme. Dafür ist er einfach viel zu hungrig, viel zu neugierig, viel zu sehr der klangliche Allesfresser, dem keine Schublade genügt.
Lady GaGa rief mich an, als noch niemand sie kannte
Während der Arbeit mit zu seinem neuen Album traf sich Bolton mit einer aufstrebenden jungen Künstlerin, die ganz außer sich war, weil sie plötzlich mit einem ihrer Helden arbeiten durfte. „Ich machte gerade eine Pause, als mein Manager mir das Telefon gab und sagte, da sei eine junge Künstlerin namens Lady Gaga am anderen Ende. Das war im August 2008. Damals war sie keinem meiner Kollegen ein Begriff… oder besser gesagt: noch war sie ihnen kein Begriff“, so Bolton im Interview.
Sobald er Stücke wie Just Dance oder Poker Face zum ersten Mal gehört hatte, war es um ihn geschehen: „Sie klang wie die junge Madonna, aber noch viel ausgelassener, und zugleich merkte man, dass es ihr wirklich um die Musik selbst ging und nicht so sehr ums Marketing. Ihre Spontaneität und diese natürliche Art fand ich von Anfang an mehr als erfrischend.“ Als die beiden sich daraufhin in Los Angeles im Studio verabredeten, sagte Bolton zu ihr: „Wenn das hier funktionieren soll, muss es die Leute einfach nur erschlagen. Und sie antwortete wie aus der Pistole geschossen: ‘Du ermordest mein Herz!’“ Und damit stand auch schon der Titel von Murder My Heart, einem der Highlights der neuen LP, das Bolton gemeinsam mit Lady Gaga geschrieben hat, wobei sich die Pop-Überfliegerin auch das Mikrofon mit ihm teilt.
Ne-Yo ist einer, der nur an der Musik arbeiten will
Eine weitere Schlüsselfigur bei den Aufnahmen war der R&B-Star Ne-Yo, dessen Arbeitsmoral Bolton mindestens genauso beeindruckte wie sein Können: „Das ist einer, der ins Studio kommt, um zu arbeiten. Er ist so versiert bei der Sache und seine musikalische Palette ist so unfassbar groß, dass ich mir gar nicht mal sicher bin, ob die Fans das auch alles verarbeiten können. In seinem Kopf reiht er pausenlos Töne aneinander und verknüpft sie zu Melodien. Er hört Obertöne heraus, die definitiv jenseits des gängigen Pop-Jargons liegen. Ich war dabei, als er zwanzig Spuren in zehn Minuten aufgenommen hat, alles perfekt aufeinander abgestimmt, mit vierstimmigen Harmonien und den passenden Kontrapunkten darunter.“ Auf dem wunderschönen Mid-Tempo-Song The Best glänzt Ne-Yo zudem auch noch mit einem Gastauftritt am Mikrofon. Zugleich ist damit der Höhepunkt der ausgelassenen Stimmung erreicht, denn ab hier wird das Album etwas ruhiger.