Halloween: Kürbiskult vs. Lutherbonbon

Quelle:Rike/Pixelio

Als ich noch klein war, bastelten wir Anfang November im Kindergarten und später in der Schule immer aus biologisch abbaubarem (oder wurde das erst später modern?) Pergamentpapier bunte Laternen, ließen uns von unseren Muttis Kerzen (damals garantiert noch echte!) darin befestigen und zogen schließlich von Haus zu Haus, um unsere Nachbarn mittels schauerlicher Gesänge dazu zu zwingen, uns Süßigkeiten auszuhändigen. Damals nannte man das „Martinssingen“ und es handelte sich um einen christlichen Brauch.

 Der Kürbis hat gut lachen (Quelle: Frank Kellner)
Der Kürbis hat gut lachen (Quelle: Frank Kellner)

Saures gibt es so oder so

Dann kam der Golfkrieg und mit ihm der nahezu kollektive deutsche Verzicht auf die ansonsten so beliebte „närrische“ Jahreszeit des Karnevals. Das war ja an sich eine sehr erfreuliche Begleiterscheinung des Krieges, aber der Einzelhandel wollte sich so gar nicht davon erholen und entschloss sich deshalb zu einer massiven Bewerbung eines ursprünglich irischen Fests, das bis dato vor allem in den USA zu unglaublichen kommerziellen Auswüchsen geführt hatte. Das Konzept ging auf.

Denn heute feiern auch die deutschen kleinen Racker lieber „Halloween“ als „Martinssingen“ (allein der Name!). Um Süßigkeiten wird dabei immer noch gebettelt, aber immerhin beschränkt sich die heutige Jugend auf schauerliche Kostüme statt Gesang und wird nur dann erst ungemütlich, wenn der kollektive Ruf nach „Süßem“ nicht befriedigt wird. In diesem Fall gibt’s nämlich Saures… Das gibt es aber ohnehin, ob man will oder nicht – an Halloween kommt man eben einfach nicht mehr vorbei. Spätestens ab Anfang Oktober grinsen einem in jedem Geschäft ausgehöhlte Kürbisfratzen entgegen und müllen einen die Fernsehsender mit „Halloween-Specials“ und „Horror-Wochen“ derart zu, dass es einem schon vom Zuschauen gruselt. Aber irgendetwas muss man schließlich feiern, denn so jung kommen wir alle nicht mehr zusammen.

Wenigstens singen sie nicht

Süßes oder Saures? (Quelle: Pixelio/Melanie Mieske)
Süßes oder Saures? (Quelle: Pixelio/Melanie Mieske)

Und außerdem ist es weniger schlimm, als das ansonsten so schüchterne Nachbarskind, das mir vor einigen Jahren ohne mit der Wimper zu zucken das komplette Lied „Ich gehe mit meiner Laterne“ in äußerst aparter Leier-Tonlage an der Tür meiner ersten eigenen Wohnung vorsang. Ich war damals gerade mal 19 und hätte dem fiesen Gör am liebsten seine Süßigkeitensammeltüte über den Kopf gehauen, dann hätte es wenigstens einen Grund gehabt, mir ordentlich Saures zu geben. Da sind mir die heutigen Kommerzkids mit ihren phantasielosen gekauften Skelett-Overalls und ihren Plastikvampirzähnen, mit denen sie wenigstens nicht singen können, ohne sich komplett den schwarzen Umhang vollzusabbern, doch wesentlich lieber.

Das Lutherbonbon

Aber ich bin ja auch längst kein Mitglied der evangelischen Kirche mehr, denn die wollen sich mit dem finanziell einträglichen Kürbiskult so gar nicht anfreunden. Der 31. Oktober ist nun mal Reformationstag und somit  einer der höchsten protestantischen Feiertage überhaupt, denn an diesem historischen Datum schlug Martin Luther persönlich seine 95 Thesen an die katholische Kirchenwand und löste damit die große christliche Revolution aus. Eine tolle Geschichte, für die sich bloß kein normales Kind mehr interessiert. Deswegen hat sich die evangelische Kirche im Jahr 2005 was ganz Pfiffiges einfallen lassen. Das Lutherbonbon! Hm, ein leckeres Zitronen- oder Orangenbonbon, das an die Heldentaten des rebellischen Mönchs von Anno Tobak erinnern soll.

Nach ihm wurde ein Bonbon benannt (Quelle: Pixelio / Dieter Schütz)
Nach ihm wurde ein Bonbon benannt (Quelle: Pixelio / Dieter Schütz)

Das ist wirklich eine überaus spannende und zeitgemäße Methode, um Kinder von den Freuden uneingeschränkten Kommerzes fernzuhalten und sie zurück in den heiligen Schoß von Mutter Kirche zu locken. Zu allem Überfluss langweilen die frommen Sittenwächter ihre hoffnungsvollen Zöglinge auf ihrer eigens dazu eingerichteten Website auch noch mit semi-tolerantem Kirchengeschwätz a la „Darf ich als Konfirmandin an Halloween mitlaufen?“ schier zu Tode (die Antwort ist übrigens ja).

Und überhaupt – wer sich im Alter von 14 Jahren noch ernsthaft so eine Frage stellt, der kann sich auch gleich wieder eine Laterne basteln und wem auch immer mit albernen Sankt-Martins-Liedern auf die Nerven gehen. Bloß mir nicht, bitte.

Quelle: Frieda Frau

1 Kommentar

  1. grandios! „Da sind mir die heutigen Kommerzkids mit ihren phantasielosen gekauften Skelett-Overalls und ihren Plastikvampirzähnen, mit denen sie wenigstens nicht singen können, ohne sich komplett den schwarzen Umhang vollzusabbern, doch wesentlich lieber.“

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