Everybody’s Fine: Robert De Niro auf Pilgerfahrt

Fragt man einen Schauspieler, mit wem er gern einmal zusammenarbeiten würde, ist einer mit Sicherheit in der engeren Wahl. Und wenn nicht, und man stößt sie oder ihn mit der Nase darauf, dann kommt bestimmt die Antwort: „Ach ja, das wäre schon cool.“ Robert De Niro ist einer der Größten der Filmgeschichte. Was hat er nicht schon alles gespielt, Thriller, Drama, Komödien – er hat einmal gesagt, er könne sogar ein Schnitzel spielen. Nun ob das im aktuellen Film Everybody’s Fine so ist? Nein. Obwohl es sicherlich ganz witzig wäre. Aber er spielt, denn er ist ja inzwischen doch schon einer der etwas älteren Kaliber, einen Familienvater und Witwer. Witwer ist er erst seit kurzem. Und wie leer kann so ein Haus sein? Wie eintönig das Leben, Tag ein, Tag aus. Sogar seine Kinder, die er am Wochenende erwartet, sagen alle nacheinander ab. Was macht man also als sorgender Vater mit massenhaft Zeit und zu wenig Aufregung? Richtig, ähnlich wie Jack Nicholson vor ihm in About Schmidt, begibt sich der Gute auf eine Art Pilgerfahrt, um jedes seiner Sprösslinge persönlich aufzusuchen. David, Amy, Robert und Rosie. Jeder von ihnen hat inzwischen mit den Herausforderungen des Lebens zu kämpfen. Und Frank Goode hat keinen blassen Schimmer davon. Er fährt im Zug durch die Staaten und erklärt jedem, der es hören will, oder der nicht bei drei auf dem Baum ist, dass er einst die Leitungen entlang der Gleisanlagen hergestellt hat. Für ihn sind seine Erinnerungen an die Frucht seiner Lenden beschränkt auf die Zeit, als alle noch Kinder waren. Doch was einst seine Frau war, nämlich das Bindeglied der Familie, muss er nun mehr oder weniger schmerzvoll an ihrer statt in Angriff nehmen. Und das ist gar nicht so einfach. Denn jeder spielt dem sorgenden Vater eine heile Welt vor.

Amy ist erfolgreiche Chefin einer Werbeagentur - © Miramax Films

Die Besetzungsliste von Everybody’s Fine hat mein Herz für einige Sekunden hüpfen lassen. Klar, Robert De Niro ist einfach toll, aber hinzu kommen Kate Beckinsale und Drew Barrymore. Zwar scheiden sich bei Drew die Geister, aber ich finde, Kate in der Rolle der Amy muss man einfach mögen. So etwas hübsches und zudem talentiertes sieht man selten auf einer Leinwand. Okay, wir haben hier kein „Underworld Teil 4“ oder „Pearl Harbor 2“ (was sicherlich noch weiter von der Realität entfernt wäre) vorliegen, kein Film, der von Special Effects und Action dominiert wird, aber das ist eine wunderbare Rolle, die man ihr hier verschafft hat. Und sie so zu betrachten und ihr zuzusehen zaubert ein Lächeln in mein Gesicht. Danke Kate!

Drew hat es da nicht ganz so hundertprozentig rund mit Rosie abgefasst. Zwar spielt sie knuddelig die tanzende Lesbe von nebenan aber musste man ihr wirklich Kate Moennig als „Nachbarin“ an die Seite stellen? Ms. Moennig wird als Mutter vorgestellt und jedem dürfte sofort klar sein, dass dem nicht so ist. Von ihrer Rolle in The L Word weicht dieser Charakter im Grunde nicht ab. Sie bewegt sich wie Shane, sie redet wie Shane und sie sieht einfach aus wie Shane. Da nimmt der Slogan (Achtung Insider!!): „Ich fühl‘ mich so ‚Shane'“ einen ganz neuen Sinn an. Scheinbar hat sie den Vorzeige-Stereotypen der Lesbe abonniert. Das ist sehr schade, denn sie kann andere Rollen spielen. Das wissen wir seit zahlreichen Gastauftritten in CSI: Miami und Co.

Rosie das Nesthäkchen wollte als Kind eine große Tänzerin werden. - © Miramax Films

Robert wird von Sam Rockwell (demnächst auch in Iron Man 2 zu sehen) ebenfalls grundsolide und überzeugend gespielt. Aber ich kam nicht über den Gedanken hinweg, welche Rolle er in The Green Mile gespielt hat. Das hat sich einfach in mein Hirn gebrannt und das macht es für Sam umso schwerer „normal“ auf der Leinwand zu erscheinen. Sorry Alter! Nichts für ungut.

Nun ist Everybody’s Fine kein Drama mit viel Geschrei, eher geht es hier um die Stille. Und das macht die Geschichte auch interessant. Das und die Frage, was ist eigentlich mit David passiert? Das ist der rote Faden der Geschichte um eine Familie, die nach dem Tod der Mutter und um des Vaters Erwartungen gerecht zu werden, alles tut, um die heile Welt aufrecht zu erhalten. Und während ich Robert De Niro mit seinen Filmtöchtern so beobachtet habe, kam mir immerwährend ein Zitat in den Kopf: „You kow what fathers want for their daughters? For them to be happy.“

Fazit: Alles in allem ist Everybody’s Fine ein Film, der zum Nachdenken einlädt. Sind die Dinge wirklich immer so, wie sie scheinen? Was gibt es noch im Leben? Und lässt man „Shane“ außen vor, beschert einem die Story ein überraschend (ent-)spannendes Filmerlebnis.