Weltspitze, das war einmal. Die deutsche Nationalelf, die bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar endlich wieder zeigen wollte, wie eine Siegermannschaft aussieht, hat stattdessen mit dem Ausscheiden in der Vorrunde bewiesen, dass seit der WM in Russland 2018 der Dampf raus ist und der vierfache Weltmeister Deutschland kontinuierlich nur noch unter ferner liefen rangiert.
Die Lorbeeren der vergangenen Jahrzehnte, die Hansi Flicks Kickern im Vorfeld immerhin bei den Buchmachern noch gewisse Chancen auf den Titel eingeräumt hatten, obwohl die Live Wetten schon kurz nach dem jeweiligen Anpfiff ein deutlich schlechteres Bild zeigten, sind endgültig dahin.
Die ersten Konsequenzen aus dem blamablen Ausscheiden haben sich bereits gezeigt. Obwohl der seit 2021 amtierende Bundestrainer Flick zumindest nach derzeitigem Stand der Dinge weiter die Führung behält, ist nach Oliver Bierhoffs Rücktritt der Posten des DFB-Direktors unbesetzt.
Doch bei der Frage, wie die deutsche Nationalmannschaft es endlich wieder zurück in die Riege der Besten schaffen kann, setzt der Deutsche Fußballbund auch nach dem Abschied des Europameisters von 1996 und 2004 weiter auf die Expertise seiner einstigen aktiven Stars.
Eine Task Force, der unter anderem Oliver Kahn, Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler, Matthias Sommer und Oliver Mitzlaff angehören, soll helfen, den Weg aus der Misere zu finden.
Dabei wird voraussichtlich auch die starke Dominanz des deutschen Rekordmeisters Bayern München bei der Kader-Aufstellung unter die Lupe genommen. Der Club liefert seit etlichen Jahren regelmäßig ein großes Spielerkontingent. Was einst ein beachtliches Plus war, weil der Kader dadurch herausragende Spieler aufs Feld schicken konnte, die zudem noch hervorragend aufeinander abgestimmt waren, hat sich mittlerweile in eine Fehlkalkulation verwandelt. Die Schärfe und Bissigkeit und auch das Tempo sind nicht mehr da, um mit den neuen Talenten der anderen Nationalmannschaften mitzuhalten.
Selbst Manuel Neuer, der lange Zeit als bester Torhüter der Welt gefürchtet und gefeiert wurde, hat nicht zu seiner einstigen Form zurückfinden können. Seit 2016 hat das deutsche Team in zehn Spielen bei Weltmeisterschaften und Europameisterschaften lediglich 3 Spiele gewonnen. Dem standen 5 Niederlagen und 2 Unentschieden gegenüber.
Dabei hatte die Ära Flick so hoffnungsvoll begonnen. Der ehemalige Co-Trainer des langjährigen Bundestrainers Joachim Löw führte die deutsche Elf in den ersten Länderspielen zu 8 Siegen in Folge, davon 6 sogar ohne Gegentor. Doch was auf dem Papier überwältigend aussah, konnte auf Dauer nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den tollen Erfolgen ausschließlich um Gewinne gegen schwache Gegner wie Liechtenstein, Armenien und Island handelte.
Nur gegen Italien konnte sich Deutschland unter den renommierten Gegnern behaupten. Genau wie die Mannschaft aus der Bundesrepublik befinden sich jedoch auch die Azzurri seit geraumer Zeit in einer Fußballkrise. So stark die Clubs in der Serie A auch sind, als Nationalmannschaft treffen die Kicker vom Stiefel nur noch selten. Während die Deutschen blamiert aus Katar abgereist sind, hatten die Italiener nicht einmal mehr die Qualifikation geschafft.
Flicks Problem liegt dabei nicht an einem Mangel an talentierten Spielern. Aber Deutschland fehlen mittlerweile die herausragenden Kicker, die auf dem Spielfeld alle mitreißen können. Thomas Müller besaß dieses besondere Etwas einst, aber das ist schon länger vorbei. Der Bayern-Star ist sich dessen bewusst, genau wie ihm vermutlich schon vorher klar war, dass diese WM seine letzte war. 121 Mal ist er bisher bei Länderspielen für Deutschland aufgelaufen. Nur Lothar Matthäus, Miroslav Klose und Lukas Podolski haben es auf mehr Einsätze gebracht.
Manuel Neuer gilt weiterhin als einer der besten Torhüter weit und breit, aber mit 35 Jahren neigt sich auch seine internationale Karriere langsam dem Ende zu. Dass er sich direkt nach Katar beim Wintersport verletzt hat und längere Zeit ausfallen wird, dürfte ebenfalls eine Rolle spielen, wenn es um Flicks Zukunftspläne geht.
Der Sturm ist dabei seit Jahren die größte Schwachstelle. Der letzte der großen Angreifer in den deutschen Reihen war der 2014 in den Ruhestand gegangene Klose. Seitdem hat es keiner so recht geschafft, in seine Fußstapfen oder in die von Rummenigge, Jürgen Klinsmann, Klaus Allofs, Gerd Müller und die anderen Superstars zu treten, die Deutschland kontinuierlich an die Weltspitze gekickt hatten.
Das zeigt sich allein schon an der Liste der Torschützenkönige. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat es nur zweimal ein Spieler aus eigenen Landen an die Spitze der Torjäger in die Bundesliga gebracht. Der erfolgreichste aktive Kicker in Deutschland ist seit langem der polnische Kapitän und Bayern-Starspieler Robert Lewandowski.
Auch in der Defensive schwächeln die Deutschen. Aber wie im Sturm gibt es Hoffnung, dass neue Talente den Umschwung bringen. Einen vielversprechenden Start gab es in Katar, als Novize Niclas Füllkrug gegen Spanien das Leder im Netz versenkte. Auch den jüngsten der deutschen Kicker, dem gerade mal zur WM volljährig gewordenen Youssouf Moukoko und dem 19 Jahre alten Jamal Musiala, werden große Dinge vorhergesagt.
Zehn Testpartien stehen Flick und seinen Mannen 2023 vor, ehe es bei der Heim-EM 2024 erneut darum geht, um zu zeigen, ob Deutschland im Fußball wieder Spitze ist oder weiterhin nur noch unter ferner liefen rangiert.