Afrika: RTL dokumentiert Flüchtlingspassage auf Schlepperboot

Die Situation der Flüchtlinge in und um Libyen wird immer dramatischer. Schätzungsweise 180 000 Menschen drängen sich derzeit in den Grenzgebieten zu Tunesien und Ägypten, immer mehr von ihnen versuchen, auf dem Seeweg nach Europa zu gelangen. Dem RTL-„EXTRA“-Reporter Jenke von Wilmsdorff ist es jetzt als erstem TV-Journalisten gelungen, hunderte verzweifelte Flüchtlinge auf einem Schlepperboot nach Lampedusa zu begleiten und dabei das skrupellose Geschäft mit der Not zu dokumentieren.

Nach mehrtägiger Verzögerung aufgrund schlechter Wetterverhältnisse legt der rostige Kahn aus Stahl mitten in der Nacht im tunesischen Lella Mariem ab, maximal 15 Stunden soll die Überfahrt dauern. Etwa 250 Flüchtlinge, fast alles junge Männer aus Tunesien, sind an Bord – ohne Hab und Gut, dafür mit reichlich Hoffnung auf eine bessere Zukunft. „Die Flüchtlinge erzählten mir ausnahmslos, dass die Perspektivlosigkeit in Tunesien der Grund für ihre Flucht sei. Sie hätten nicht mehr die Kraft und die finanziellen Möglichkeiten zu warten, bis sich in ihrer Heimat etwas maßgeblich ändert“, so Jenke von Wilmsdorff. „Dieser Traum von einem besseren Leben hatte etwas erschreckend Verzweifeltes, denn sie alle waren bereit, dafür ihr Leben zu riskieren.“

Und das zu einem sehr hohen Preis: Rund 1200 Euro haben Sie für die gefährliche Passage hinblättern müssen, das entspricht bei den allermeisten einem kompletten Jahreslohn. Die Schlepper können sich die Hände reiben, für sie ist die Not der Wirtschaftsflüchtlinge ein einträgliches Geschäft. Um es noch lukrativer zu gestalten, haben die sechs gekauften Besatzungsmitglieder eine Vorgabe, von der die Passagiere an Bord noch nichts wissen. Nach Stunden des Schipperns auf hoher See geht das Schiff plötzlich vor Anker. 20 Stunden müssen die verunsicherten Menschen nun ohne Angabe von Gründen ausharren, bis plötzlich Beiboote auftauchen und weitere Flüchtlinge abladen. Am Ende kauern 344 Flüchtlinge, nur drei von ihnen Frauen, zusammengepfercht auf dem Schlepperboot, das macht einen „Frachtwert“ von etwa 412 000 Euro. Die Gegenleistung: eine Toilette, zwei Tanks mit brackigem Wasser, ein paar zwischendurch in die Menge geworfene Baguettes und Tetrapacks Milch, dazu zwei Aufpasser, die wie die Passagiere immer nervöser werden, je länger die Fahrt dauert. „Das war wie auf einem Sklavenschiff“, so der RTL-Reporter. „Die Menschen hockten wie Vieh auf engstem Raum, völlig ungeschützt vor Sonne, Regen und der nächtlichen Kälte an Deck. Hinzu kamen immer wieder plötzliche und willkürliche Drangsalierungen der Schiffscrew.“

Ein ungemütlicher Seegang mit bis zu viereinhalb Meter hohen Wellen sorgt zusätzlich für schlechte Stimmung. „Teilweise wurden die Flüchtlinge aggressiv, andere weinten vor Verzweiflung. Fast fünf Stunden ankerte das Schiff bei stürmischer See. Schließlich mussten sich fast alle an Bord übergeben. Es stank fürchterlich, an Schlaf war nicht zu denken.“

Nach 45 quälend ungewissen Stunden auf dem Schlepperboot ist endlich die Küste der Insel Lampedusa in Sicht. Eskortiert von einem italienischen Patrouillenboot und einem Helikopter erreichen die völlig erschöpften Flüchtlinge ihr Ziel. Dort werden Sie von den Behörden in Empfang genommen und einem sofortigen zweistündigen Verhör zugeführt. Auch Jenke von Wilmsdorff und seinen Kameramann Jan Kreuzt sagen vor der Polizei aus, danach reisen Sie im Flugzeug wieder zurück nach Deutschland. Die Tunesier werden derweil ins überfüllte Flüchtlingslager der kleinen italienischen Insel eskortiert. Ein Etappenziel auf ihrem langen Weg in eine ungewisse Zukunft haben sie immerhin erreicht.

Quelle: RTL