Mutti ist die Beste – Berlin ’36 im Kino

Was macht eine Jüdin, die sportlichen Erfolg sucht, ihn aber in Nazideutschland nicht finden kann? Auswandern. Was macht eine Jüdin, die sportlichen Erfolg hat, bereits im Ausland lebt und von Nazideutschland erpresst wird? Zurückwandern, um die Familie zu beschützen.

Mutti ist die Beste - Berlin '36
"Wenn man die Nazis blamieren will, muss man sie schlagen" - Gretel beißt sich tapfer durch. Quelle: X-Verleih

Gretel Bergmann ist eine erfolgreiche Hochspringerin zu Zeiten, als Sport noch frei machte und Blutdoping und Anabolika noch Fremdwörter waren. Gerade hat sie die britischen Meisterschaften gewonnen. Doch kann sie ihren Sieg gebührend feiern? Nicht wirklich. Ein Überraschungsbesuch ihres Vaters versetzt sie in Angst und Schrecken und zwingt sie, ihre Sachen zu packen und zurück nach Deutschland zu reisen. Denn die olympischen Spiele stehen an und Amerika droht mit Boykott, wenn die Nazis jüdische Sportler vom Wettkampf ausschließen. Das Stadion ist bereits gebaut und der Ruf in der Welt bekäme einen ziemlich starken Knacks, wenn man sich nun diesen Fauxpas leisten sollte.  Also muss man Kompromisse schließen und „die Jüdin“ rein lassen. Aber gibt man sich so leicht geschlagen? Nein. „Gibt es denn sonst niemanden, der sie schlagen könnte?“ Doch gibt es. Und sie wäre perfekt, wenn es da nicht ein kleines Problem gäbe, das bei der ärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu Tage gekommen ist. Denn die Einzige, die Gretel gefährlich werden könnte, ist ein Mann. Ein Mann namens Marie. Marie wurde von ihrer Mutter auf einem Bauernhof zur Welt gebracht. Leider war sie eines nicht, ein Mädchen. Und wie gern hatte sich „Mutter“ ein Mädchen gewünscht. Aber auch hier weiß man Rat. Stecken wir den Jungen doch einfach fortan in Kleider und zwingen ihn Literatur für Mädchen zu lesen und noch viel wichtiger, geben wir ihm einen Mädchennamen. Das funktioniert doch prima. Und wer kommt auf dem Dorf schon dahinter, wenn man relativ abgeschieden lebt? Als Marie nach besagter Untersuchung ein Angebot bekommt, sie könne als Mann leben, wenn sie für Deutschland im Hochsprung die Goldmedaille holt, sieht sie endlich das langersehnt Licht am Ende des brutalen „Schlägermuttilebens“ und willigt ein. Jedoch beginnt hier erst der wahre Wettkampf …

Regisseur Kaspar Heidelbach bringt uns eine Story nach einer wahren Begebenheit ins Kino und lässt uns in Zeiten zurückblicken, lange bevor der Fosbury Flop Weltruhm erlangte. Er versucht uns eine Seite Deutschlands zu zeigen, die man nur selten, wenn überhaupt zu Gesicht bekommt. Und damit ist es eigentlich schon gesagt, er versucht es. Es gelingt ihm weitestgehend, doch kommt leider der Druck, der auf beiden Hauptfiguren lastet zu Beginn einfach viel  zu kurz. So ist Gretel relativ schnell zur Rückreise zu bewegen, dafür dass sie im späteren Filmverlauf zu viele wichtige Fragen stellt und zeigt, dass sie über die Dinge gründlich nachdenkt. Auch Maries gewalttätige Mutter ist nach einem extremen Ausraster schon nicht mehr zu sehen.  Schade, hier hätte man wirklich noch ein bisschen schärfer rangehen können.

Aus Rivalinnen werden Verbündete. Quelle: X-Verleih
Aus Rivalinnen werden Verbündete.

Aber was ist mit den Hauptdarstellern? Karoline Herfurth, die laut Heidelbach relativ schnell für die Rolle der Gretel feststand, macht ihren Job wirklich gut. Sie bringt die Verwirrung glaubhaft rüber, ebenso wie die Wut, Trauer, Betroffenheit usw. Sie wird beim weinen sogar rot! Und überhaupt, sie passt einfach in die Rolle. Toll.
Sebastian Urzendowsky als Marie ist da schon etwas anders. Er kommt en bisschen grau rüber, aber das muss er auch, sonst wäre die Rolle nicht glaubhaft besetzt. Aber er hat ein super Augenspiel, was natürlich toll in Szene gesetzt wurde.

Rein inhaltlich lässt sich anmerken, dass man an gewissen Stellen doch in die eigene Kindheit – wenn man denn schon ein gewisses Alter erreicht hat – versetzt wird und man an diesen leidlichen Grätschsprung denken muss. Aber was man sich tatsächlich den ganzen Film über fragt, ist, warum bemerkt niemand, dass Marie eine auffallend männliche Stimme hat. Hier gibt es jedoch irgendwann ein leichtes Aufatmen, als Gretels Mutter eine Bemerkung am Tisch fallen lässt „Im ersten Moment dachte ich, es wäre ein Mann. – Sie hat so eine tiefe Stimme.“ Ach, Mutti ist eben doch die Beste. Danke.

Weiterhin positiv zu bemerken sind die Schnitte. Die sind toll in die Tat umgesetzt worden. Daumen hoch. Die Bilder sind nicht grell und bunt, sondern eher schlicht und erinnern vielleicht an inzwischen etwas ältere Filme. Aber es passt zum Film und somit wird das Gesamtbild voller.

Fazit:
Ein durchaus sehenswerter Film, der über ein Ereignis berichtet, das bislang gut behütet in der Versenkung verschollen war. Leider sind die Emotionen noch verbesserungswürdig. obwohl die Hauptdarsteller glaubwürdig sind, aber was das Drehbuch vermeintlich nicht hergibt, gibt das Drehbuch vermeintlich nicht her. 4 von 5 Punkten für dieses Werk.

4 Sterne

Offizielle Seite zum Film

Quelle: sbo