Homosexualität ab der 1.Klasse als Schulfach?

Neuerungen im Schulsystem sind Alltag, nichts Besonderes. Was jedoch hat sich der Senat jetzt schon wieder ausgedacht? Sexualität als Schulfach in der Grundschule. Kommen die Kinder bald aus der Schule und erzählen ihren Eltern was über Schwule und Lesben, bevor sie überhaupt ihren eigenen Namen schreiben können?

Die neueste Idee, die nun umgesetzt werden soll, „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz Sexueller Vielfalt“ von der Bildungsinitiative „QUEERFORMAT“, betrifft die Kinder der Grundschulen und Kindergärten in Berlin. Bei diesem Projekt ist geplant, dass ein Bücher- und Spielekoffer Erstklässlern die Vielfalt des Sexuallebens näherbringt. Der Koffer soll nach den Sommerferien eingeführt werden und erhascht schon vor seiner Einführung erste Aufmerksamkeiten großer Zeitungen. Die B.Z. titelte mit „Schulfach Schwul“, die FAZ veröffentlichte ebenfalls einen Artikel zu diesem Thema.

„Vor langer, langer Zeit sahen die meisten Familien in Büchern so aus: ein Papa, eine Mama, ein kleiner Junge, ein kleines Mädchen.“, heißt es in einem der Bücher und lässt neue Strukturen des Lehrmaterials erahnen. „Weil aber zwei Frauen keine Kinder bekommen können, haben sie Stefan gefragt. Stefan ist schwul. Der Arzt tat dessen Samen in Mamas Bauch.“, erklärt eines der anderen Bücher. Ab der ersten Klasse sollen die Kinder mit dieser Materie in Berührung kommen, normalerweise steht Sexualkunde erst ab der dritten Klasse auf dem Stundenplan. Eine solche Aufklärung sei auch schon für sechs Jahre alte Kinder hilfreich, so die Verantwortlichen, denn laut einer Studie spüren manche Kinder schon im Sandkastenalter ihre Homo- oder Transsexualität.

Der Senat will mit dieser neuen Initiative erreichen, dass sexuelle Vielfalt akzeptiert wird. Dabei geht es um Aufklärung, Schulung, Beratung und Kampagnen. 2,1 Millionen Euro stehen in den Jahren 2010 und 2011 für dieses Projekt zur Verfügung, wie Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) im Februar 2010 sagte. Geplant seien zudem etwa «Schulungen für den respektvollen Umgang» bei der Polizei, Weiterbildung für Lehrer und Führungskräfte in Behörden. Begonnen hat die Initiative am 17. Mai 2010, dem Internationalen Tag gegen Homophobie. Zurück geht das gesamte Projekt auf eine Initiative der Grünen, die nach mehreren abscheulichen Gewaltübergriffen gegen Schwule, Lesben sowie Transgender im Jahr 2009 einen Aktionsplan gegen Homophobie forderten. Wie nötig ein Handeln geboten war, belegt auch die polizeiliche Statistik für politisch motivierte Kriminalität (PKM), die eine Verdoppelung von Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung von 2007 bis 2009 aufweist – die Dunkelziffer dürfte indes noch höher ausfallen. »Mit der Initiative muss es gelingen, in den Köpfen der Menschen etwas zu bewegen«, hoffen die SprecherInnen für Lesben- und Schwulenpolitik der Grünen Anja Kofbinger und Thomas Birk.

Michael Müller, Fraktionsvorsitzender der Berliner SPD macht sich stark für das Projekt: „Wir leben in einer Stadt, die bei der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen eine führende Rolle nicht nur in Deutschland einnimmt. Dafür hat sich die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin stark gemacht und wird dies auch weiter tun. Die rechtliche Gleichstellung allein reicht allerdings nicht aus, denn noch immer gibt es in allen Teilen der Bevölkerung massive Vorbehalte gegenüber Lesben und Schwulen. Und viel zu oft gibt es verbale oder körperliche Übergriffe, sei es weil sich zwei Frauen in einem Café küssen oder weil zwei Männer Händchen haltend in der U-Bahn fahren“.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, hat die Initiative, unter Berufung auf das Grundgesetz, als massiven Eingriff in die elterlichen Erziehungsrechte kritisiert: „Das Grundgesetz stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates und benennt die Erziehung – also auch die Vermittlung von Werten – ausdrücklich als Recht der Eltern.“ Kritik kam auch vom bildungspolitischen Sprecher der Unions-Landtagsfraktionen, Hans-Jürgen Irmer (CDU), der der Initiative perfide Manipulation der Kinder vorwirft.
Monika Grütters, Berliner Bundestagsabgeordnete der CDU, betrachtet das Projekt ebenfalls mit skeptischen Augen und sieht „Übereifer am Werk“. Die Eltern müssten entscheiden, wann sie ihre Kinder mit welchen Themen konfrontieren. „Das muss ihnen nicht von der Schule in einem Alter aufgedrängt werden, in dem sie die Fragen vielleicht noch gar nicht stellen. So viel Vertrauen in die Familie muss sein.“

Märchen beginnen stets mit einer problematischen Situation und zeigen dann mit viel Symbolgehalt, wie diese bewältigt wird. Somit sprechen Märchen alltägliche Probleme und Schwierigkeiten an und zeigen Lösungswege auf, genau das tun die Märchen aus dem Bücherkoffer ebenfalls. Aber war das Vorlesen dieser Märchen nicht immer Aufgabe der Eltern und greift die Schule nicht wirklich zu sehr in die Erziehung der Eltern ein? Diese Frage muss jeder für sich klären.

Das Thema ist in den Rahmenlehrplänen für die Jahrgangsstufe drei längst festgelegt, diskutiert wird also nur, ob man das Thema schon an Erstklässler herantragen sollte. „Sexualität und Geschlechterrollen: Hetero- und homosexuelle Lebensweisen“ heißt es im Rahmenplan. Bereits 2004 setzte der Senat auf eine vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg ins Leben gerufene Kampagne, um für das Thema zu sensibilisieren: „Cigdem ist lesbisch, Vera auch.“

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