Flight – Denzel Washington im Tiefflug

© studiocanal

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen … Flugzeuge schon. Um das zu verhindern legt sich Whip, gerade jäh aus seinem Rausch gerissen, mächtig ins Zeug. In einer unüberschaubaren Situation vollbringt er das Unglaubliche. Er manövriert ein Passagierflugzeug aus dem Sturzflug in eine etwas unorthodoxe aber die wahrscheinlich einzig mögliche Lage – er steuert den Flieger auf den Rücken, um dann die Kontrolle zurück zu erlangen und im Gleitflug das Flugzeug den Umständen entsprechend sicher auf die Erde zu bringen. Nur ein Wahnsinnstyp ist dazu in der Lage, und gar spektakulär erscheint die Aufnahme auf der Leinwand. Es dauert etwa 5 Minuten, doch was danach folgt, sind Studien und Analysen eines Mannes, der sein Leben aus den Fingern hat gleiten lassen. Und so wie er normalerweise einen Flieger in der Gewalt hat, steht er ab sofort in der Gewalt der Verdächtigungen, Verleumdungen und der Versuchung, wieder zur Flasche zu greifen. Nur kurz hält er an, der Triumph über seine Heldentat. Schnell kommen Zweifel an der Integrität auf, und Whip befindet sich nur einen Schluck Wodka von der Inhaftierung entfernt.

Völlig überflüssig erscheint es hier zunächst, eine etwas abseits stehende Nebenhandlung zu kreieren, denn auf seinem Weg der Genesung lernt er Nicole kennen, über deren Haus – welch merkwürdiger Zufall – die Unglücksmaschine hinwegbrauste. Auch wenn diese Bekanntschaft, so scheint es, nicht von langer Dauer ist, hinterlässt sie doch auch etwas Gutes, das Whip leider erst spät herausfindet.

Flight_016_300x300
John Goodman ist der Retter in der Not – © Paramount Pictures

Der Plot scheint spektakulär, die Darsteller sind weise gewählt, doch was Robert Zemeckis bei Forrest Gump noch gelang, nämlich eine extrem komplexe Geschichte zu einem unterhaltsamen Epos zu flechten, das scheint ihm hier etwas zu entgleiten – im wahrsten Sinne des Wortes. Auch verpufft die angerissene Beziehung zwischen Whip und Nicole aufgrund mangelnder Leidenschaft völlig. Kelly Reilly, ihres Zeichens eine nicht gerade unattraktive Person, verblasst leider im Angesicht eines dahinsiechenden Denzel Washington. Zu gekünstelt erscheint die Begegnung beider. Die Chemie stimmt nur auf freundschaftlicher Basis. Zu voraussehbar ist der Ablauf und das Ende dieses Zusammentreffens. Und dennoch stößt Zemeckis den Zuschauer mit nahezu brachialer Gewalt hinein. Und dann ist es auch schon wieder vorbei. Zurück bleibt ein mühselig weiterspielender Denzel Washington, der seinen Kummer weiterhin in allem Alkoholischem ersäuft, was er findet. Gar zu gezwungen rührselig und scheinbar endlos erscheinen seine Eskapaden, dem „Morgen-ist-Schluss-Gedanken“ eine Chance zu geben. Immer wieder kommen Rückschläge ans Tageslicht, und dies passiert so lange, bis man als Zuschauer langsam selbst gern einen heben möchte. Man will es sich nicht mehr antun, das Elend in 16:9 auf der Leinwand. Komasaufen für Fortgeschrittene und jene Interessenten mit Sitzfleisch und einer Engelsgeduld ist angesagt. Und um allem noch die Krone aufzusetzen, bekommt der geneigte Zuschauer die „Gott-Keule“ an die Stirn geschmettert, dass es schon fast weh tut. Denn war es nicht vielleicht auch ein göttliches Zeichen, ein Plan, Whip die Katastrophe abwenden zu lassen? Hätte man das nicht einfach auf die Schiene „ich bin am besten drauf und am kreativsten, wenn ich besoffen bin“ lenken können? Die Grauzone wird einfach unerträglich in die Länge gezogen. Immer wieder gibt es ein leichtes Aufbäumen und sofort im Anschluss wieder die ernüchternde Flaute. Den wirklich befriedigenden Abschluss findet man nicht. Dann kommt es zum „Showdown“ und plötzlich ist wieder alles schwarz und weiß, und das Gute und die Moral siegen über alles. Aber wie kann man einen Film präsentieren, der im Ansatz so viel Potential hat, eine wirklich spannende Geschichte zu werden, und dann mit der Überreizung alles zunichte machen und die schauspielerische Leistung seiner Darsteller ins Aus schießen? Einziger Lichtblick am dramaturgischen Himmel sind die Auftritte John Goodmans, welcher die Tragödie um Verfolgen und verfolgt werden auflockert und mit scheinbarer und glaubwürdiger Situationskomik wieder in eine erträgliche, kurzweilige Bahn lenkt.

Fazit: Anfang – Prädikat empfehlenswert, Mittelteil – in Ansätzen gelungen, jedoch zu langatmig, Ende – moralisch zu perfekt für den gesamten Plot.

4 Sterne