Facebook-Zensur: Warum Jürgen Domian klagen sollte

© Screenshot Facebook

Der Fernsehmoderator Jürgen Domian ist empört, und er lässt zehntausende Menschen an seiner Empörung teilhaben. Das soziale Netzwerk „Facebook“, so beschwert er sich, habe von seiner Seite kritische Beiträge zur Katholischen Kirche, zum Papst und insbesondere zum Publizisten Martin Lohmann entfernt. Zur Erinnerung: Der (katholische) Publizist Lohmann hatte sich in diversen TV-Talkshows kritisch zur Homosexualität geäußert und auch sonst merkwürdige Ansichten vertreten, etwa zu der Frage, ob vergewaltigte Frauen abtreiben dürfen. Lohmann meinte, das sei grundsätzlich nicht erlaubt, was nicht nur Domian verständlicherweise auf die Palme brachte. Ganz sicher also hätten „Fanatische Kirchenanhänger“ für diese Löschaktion bei Facebook gesorgt, zeigt sich Domian überzeugt, und das empfindet er selbstverständlich als „ungeheuerlich“. Einen konkreten Beweis für diese Behauptung bleibt er indes schuldig, doch wie es bei der Empörungsmaschine Facebook, diesem virtuellen Stammtisch halt so üblich ist, haben zum Zeitpunkt, an dem dieser Beitrag bei inforand.de erscheint, über 3 000 Kommentatoren die Empörung Domians als richtig bewertet. 20 924 Usern gar gefällt Domians Ausbruch angeblich und satte 30 004 Facebooknutzer haben Domians Wutrede angeblich mit ihren Freunden geteilt. Kann man diese Zahlen glauben? Kaum. Doch wie dem auch sei: Jürgen Domians Vorwürfe stehen nun dröhnend im Raum.

Der TV-Moderator wehrt sich also dagegen, dass Facebook kritische Beiträge löscht. Darf Facebook das? Das Problem ist, dass es im Domian-Facebook-Fall keine rein Schuldigen und auch keine rein Unschuldigen gibt. Der Europasitz von Facebook ist Irland, und damit gilt hierzulande das europäische Medienrecht, das im Wesentlichen geprägt ist vom Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes. Darin steht: „(…) Eine Zensur findet nicht statt.“ Insofern mag Domian recht haben: Hier wurde wohl zensiert, und das darf nicht sein! Hinzu kommt, dass das Unternehmen Facebook Strafmaßnahmen gegen seine User ständig in einer Art und Weise anwendet, die niemand nachvollziehen kann. Dies weder logisch, noch rechtlich. Mal werden Facebook-User wochenlang gesperrt, weil sie angeblich Freundschaftsanfragen an Leute gerichtet haben, die das angeblich nicht wollen. Oder es werden lächerlicherweise Fotos von Gemälden aus Museen wie dem Pariser Louvre gelöscht, weil auf denen nackte Menschen zu sehen sind. Begründet werden solche Strafmaßnahmen fast nie, und Domian könnte nun ein Exempel gegen Facebook statuieren, und viele, auch der Autor, wären ihm hierfür dankbar.

Anstatt also nur rumzujammern, sollte Domian den Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen, der sich mit solchen Vorgängen juristisch beschäftigt. Dies, weil in Europa das Recht auf freie Meinungsäußerung ein Menschenrecht ist. Domian könnte dieser Gesellschaft somit einen Gefallen tun und mit einer Klage für Klärung sorgen. Er könnte Facebook dazu zwingen, klar zu machen, was das Unternehmen zensiert und was es nicht zensiert und warum beziehungsweise warum nicht. Das hätte Sinn. Mehr Sinn auf jeden Fall als das Domiansche Klagelied, das er derzeit laut singt. So weit, so gut. Doch müsste sich im Falle einer solchen Klage nicht nur das Unternehmen Facebook, sondern auch Jürgen Domian einige unangenehme Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel die, ob er auf seiner Seite Verunglimpfungen bewusst oder auch unbewusst zugelassen hat. Das hat er nämlich, und deshalb wohl wird Facebook seine Seite auch zensiert haben. Domian hat, wie es der Autor dieses Beitrags selbst beobachtet hat, mit seinen kritischen Postings gegen die Katholische Kirche regelrecht einen „Shitstorm“ losgetreten, den er nicht kontrolliert hat oder den er nicht kontrollieren wollte. Dabei wird Domian, der in seiner Sendung gerne den guten Menschen gibt, der seinen Anrufern empathisch zuhört, sehr wohl wissen, dass der „Shitstorm“, wie es der Philosoph Precht einmal richtig formulierte, die Guillotine des 21. Jahrhunderts ist. Der Papst, Lohmann und andere wurden da auch mal gerne als „Schwanzlutscher“ und „homophobe A****löcher“ beschimpft von Leuten, die ihren Verstand am Facebook-Portal abgegeben haben.

Im Internet zeigt sich eben auch: Es ist zwar nicht für Idioten gemacht, sehr wohl aber erzeugt es Idioten. Und im geflügelten Wort der „E-Democrazy“ findet sich eben auch ein „crazy“… Die Frage wird also auch sein: Hat Domian, der zweifelsohne kein Idiot ist, gegen solche Beschimpfungen auf seiner Seite etwas getan? Nicht wirklich. Wie auch, bei einer solchen Masse von angeblichen Fans und Kommentatoren. Da kann man schon mal den Überblick verlieren. Ein „Monitoring“, das regelmässige Beobachten also von Meldungen und Bewegungen auf einer Website, hat Domian bisweilen sträflich unterlassen. Sträflich deshalb, weil auch Facebook kein rechtsleerer Raum ist. Niemand muss sich Verunglimpfungen gefallen lassen, weder im richtigen Leben, noch im Netz. So hat der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof in diversen Urteilen in den letzten Jahren immer wieder diejenigen gestärkt, die sich gegen Rechtsverletzungen im Internet wehren. Infolge dieser Urteile müssten gegebenenfalls auch bestimmte Einträge im Internet gelöscht werden, wenn sie, zum Beispiel, ehrabschneidend sind. Daraus, um es zu wiederholen, folgt: Jürgen Domian sollte gegen die Löschaktion von Facebook klagen. Tut er es nicht, ist sein Wehklagen nur sinnloses Genöle eines Beleidigten.