Das war der Papstbesuch 2011 – Rezensionen, Kritiken und Meinungen

Papst Benedikt XVI. hat seinen mehrtägigen Deutschlandbesuch gestern in Freiburg beendet. Zum Abschluss forderte er erneut eine Rückbesinnung auf Gott und die christlichen Werte. Bei einer Messe mit rund 100.000 Teilnehmern am Vormittag rief er zu mehr Demut auf und kritisierte einen zunehmenden Individualismus. Bei einer weiteren Rede am Abend sagte Benedikt, die Kirche dürfe sich nicht zu sehr anpassen. Konservative Kirchenvertreter bezeichneten den viertägigen Besuch des Papstes in Deutschland als Erfolg: Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch sagte, die Katholische Kirche in Deutschland sei nach dem Besuch ermutigt und gestärkt. Kritiker bemängelten, dass Reformen mit diesem Papst offenbar weiterhin in weiter Ferne seien. Weder habe der Papst Hoffnung auf mehr Ökumene noch auf einen Kurswechsel in vielfach kritisierten Punkten, beispielsweise in der Sexualmoral, gemacht. Um 19:36 Uhr am Sonntagabend hob eine Sondermaschine der Lufthansa mit dem Pontifex an Bord am Flughafen Lahr im Schwarzwald in Richtung Rom ab.

Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock hat den Deutschlandbesuch Papst Benedikts XVI. im Nachhinein als „Demonstration des römischen Zentralismus“ kritisiert. Die von Benedikt repräsentierte Kirche „entzieht sich in einer bedrückenden dogmatischen Verengung sogar Diskussionen über Fragen, die gar keine ewigen Glaubenswahrheiten sind“, sagte Kock dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montag-Ausgabe). Als Beispiele für drängende Themen, zu denen der Papst geschwiegen habe, nannte Kock die Stellung der Frau in der katholischen Kirche, den Pflichtzölibat und die Haltung zu wiederverheirateten Geschiedenen. „Selbst der Bundespräsident hat seine persönliche Situation als Geschiedener in zweiter Ehe erwähnt. Das ist am Papst völlig abgeperlt“, sagte Kock. „Offenbar muss die katholische Kirche auf einen anderen Papst warten.“ Die Begegnung des Papstes mit Vertretern der evangelischen Kirche nannte der ehemalige Ratsvorsitzende im „Kölner Stadt-Anzeiger“ entlarvend. Es habe sich gezeigt, wie wenig der Papst zu Fortschritten in der Ökumene bereit sei. Allerdings verlaufe „die eigentliche Trennlinie nach dem Empfinden der meisten Christen ohnehin nicht mehr zwischen den Konfessionen, sondern zwischen den dogmatisch Fixierten und denen, die Fragende und Suchende akzeptieren“, fügte Kock hinzu.

Der Tübinger Theologe Hans Küng hat in einem Gastbeitrag für die „Freie Presse“ (Montagausgabe) eine bittere Bilanz des Papstbesuches gezogen. Küng schrieb, das Motto des Besuches habe zwar geheißen: „Wo Gott ist, da ist Zukunft“. Doch richtig sei: „Wo dieser Papst ist, da ist Vergangenheit.“ Papst Benedikt XVI. habe ein „offenes Ohr“ und ein „hörendes Herz“ versprochen. „Aber er zeigte für Reformanliegen weder das eine noch das andere. Mit versteinertem Herz reagierte er auf die Reformanliegen von, ich möchte sagen, etwa 80 Prozent der deutschen Christen“, so der Kirchenkritiker. Deutschland habe vier Tage „Personenkult vom Nachfolger des armen Fischers Petrus“ erlebt, die Bischöfe hätten als Statisten fungiert. Das stoße ungezählte Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche vor den Kopf. Als besonders enttäuschend bewertet Küng das Treffen mit Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland im Augustinerkloster zu Erfurt. „Ich hatte mir eine fruchtbare Begegnung erhofft. Stattdessen hat sich bestätigt, dass Joseph Ratzinger seit nunmehr dreißig Jahren als Haupthindernis für die ökumenische Verständigung mit der evangelischen Kirche wirkt. Er erkennt diese Kirche nicht einmal an. Hinter dem Lächeln des alten Mannes zeigt sich das Gesicht des starren Dogmatikers, des römischen Traditionalisten und des kalten Machtpolitikers.“

Und das sind nicht die einzigen negativen Stimmen, in Berlin gab es am Donnerstagnachmittag eine Demo mit dem Motto „Keine Macht den Dogmen“, einige berichten sogar von bis zu 15.000 Teilnehmern. Der Papst hatte schonmal ein durchaus besseres Ansehen, und besonders gut weggekommen ist er auch nicht wirklich, auch wenn hunderttausende zu seinen Audienzen pilgerten.

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