Neun Live: Der leise Abschied vom schrillen Spektakel

Neun Live – Farewell, Goodbye, der Vorhang ist gefallen und der ‚Hot Button‘ surrt wohl auch nie wieder: Mit dem Ende der Call-In-Scharaden auf dem ‚Mitmach-Sender‘ 9Live verabschiedete sich heute Nacht einer der wohl kuriosesten Beiträge zur deutschen Fernsehlandschaft in den letzten Jahren. Nicht ganz ohne Pathos inszenierte der vielfach als ‚Abzockverein‘ gescholtene Sender in der Nacht zum 1. Juni während der letzten Minuten des Live-Betriebs einen Abgesang auf sich selbst.

So laut und schrill, wie sich 9Live vor zehn Jahren noch in den Fernsehbetrieb gedrängelt hatte – so leise gestaltete sich sein Abschied. Der gewohnte Ablauf der Anruf-Shows fand in den letzten Tagen fast gar nicht mehr statt, sondern wurde hauptsächlich durch persönliche Reminiszenzen und Gedanken seitens der Moderatoren ersetzt, die jedoch in den meisten Fällen eher vordergründig-emotional als selbstreflektierend daherkamen und Kurzauftritte ehemaliger Mitarbeiter fanden ihren Platz zwischen zwei Smalltalk-Einlagen von Max Schradin, Alida Kurras und ihren Kollegen.

Neun Live – Es ist Zeit zu gehen

Kurz vor Mitternacht verließen die altbekannten Darsteller dann nach und nach das Studio. Thomas Schürmanns Worte „Es ist Zeit zu gehen“, damit verabschiedete sich das alte Neun Live von seinen noch übrig gebliebenen Zuschauern mit dem Abziehbild eines Zitats aus dem Film „The Truman Show“: „Wo wollt ihr hin? Ihr gehört doch hierher. Ihr seid Neun Live, ihr seid die Stars, die Millionen Menschen glücklich gemacht haben. Ihr könnt nicht gehen. Ich habe euch doch zugesehen. Eure ersten Schritte. Erinnert Ihr Euch noch an den 9Live-Marathon? Das 9Live-Sommercamp? Oder die XXL-Shows? Ihr wart echt, deshalb hat man Euch so gern zugesehen.

Schon zehn Jahre

Eine tolle Welt, die wir geschaffen hatten. Deshalb könnt ihr nicht weggehen. Die Welt beobachtet euch doch schon seit zehn Jahren. Wir haben euch zugesehen, wie Ihr Eure ersten Schritte vor der Kamera gemacht habt. Das erste Mal Rotlicht, der erste Anrufer in der Leitung. Ihr könnt nicht gehen. Ihr gehört hierher, zu uns. Sagt etwas. Nun sagt schon was, verdammt. Ihr seid im Fernsehen, die ganze Welt ist live dabei.“ Passend dazu verkündete Schürmann danach die wohl letzten gesendeten Worte eines 9Live-Moderators:

„Und falls wir uns nicht mehr sehen sollten: Guten Tag, guten Abend und gute Nacht.“

Zuletzt bleibt nur noch ein im Lichtgeflitter der Scheinwerfer verhalten winkender Mitarbeiter im Ratefuchs-Kostüm, bevor das Ganze ins Schwarze abblendet.

Diese Worte und Gesten beenden also das Kapitel der Call-In-Shows auf dem ehemaligen Sendeplatz des Frauensenders tm3. Jedoch wird auch der fast schon zwanghaft überdramatisierte Abschied wohl nichts an der Tatsache ändern, dass der Begriff ‚Neun Live‘ schon in wenigen Jahren höchstens noch als skurrile Randnotiz irgendwo im Orkus der deutschen Fernsehgeschichte zu finden sein wird.

Weiterlesen auf: Alle Leitungen sind dicht – das Ende des Call-In-Betriebs auf 9Live

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